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Der letzte Weltcup der Saison führte uns nach Südkorea, wo im nächsten Februar die Olympischen Spiele stattfinden werden. Knapp 2,5mal grösser als die Schweiz beheimatet das Land 51 Millionen Einwohner, welche aber zu gut 90 % in Städten leben, weshalb man von der grossen Bevölkerungsdichte im ländlichen Norden nichts spürt. Der Landkreis Pyeongchang, nicht zu verwechseln mit seinem berühmt-berüchtigten Nachbarn aus dem Norden, Pjönjgang, ist mit seinen 40'000 Einwohnern der kleinste Austragungsort seit Lillehammer 1994. Stellt man den hochgezüchteten Gigantismus der Spiele gegenüber, ist abzusehen, dass die eigens aus dem Boden gestampfte Infrastruktur mittelfristig keine Verwendung mehr finden wird und wie so oft sprichwörtlich versanden wird. Das 2011 fertiggestellte Skiresort Alpensia (Wortschöpfung aus Alpen und Asien) schreibt bereits 50 Millionen Dollar Verlust pro Jahr. Aber der aus der hinteren Hosentasche des IOCs heraufbeschworene olympische Geist wird sicherlich über all dies hinwegtrösten. Die Bobbahn ignoriert gekonnt die topographischen Gegebenheiten, weshalb es in Reiseführern mit gutem Recht als Bonbon asiatischer Stützmauerkunst Eingang finden wird. Die 150 Millionen Baukosten wurden aber nicht nur in Hangverbauung investiert, sondern beispielsweise auch in das grösste Starthaus auf der Tour, welches beim Athleten keine Wünsche offen lässt. Er kann sich im Cateringbereich bei Kaffee und Nudelsuppe stärken, bevor er sich mit dem Lift aufs Dach befördern lässt, wo er sich beim Einlaufen zwischen sechs Bahnen Tartan entscheiden muss, um sich schliesslich in der äusserst geräumigen Garderobe umzuziehen. Auch die Konzeption der Bahn verdient grosses Lob: Technisch anspruchsvoll, aber nicht gefährlich. Eine Mischung aus Cesana, La Plagne und Park City. Die breiten Spurbänder im oberen Bereich zeugen davon, dass mehrere Linien für den Piloten möglich sind. Es war anfangs zu beobachten, dass jede Nation ein anderes Verständnis von der schnellsten Linie entwickelte und die Piloten im Ziel aufgeregt miteinander diskutierten.
Die exponierte geographische Lage zwischen Gelbem und Japanischem Meer, kombiniert mit kühlen Winden aus Sibirien, beschert dem Land ab Januar eine eigentümliche Klimakonstellation, bei der sich warme und kühle Tage im Dreitagesrhythmus abwechseln. Bei unserer Ankunft erwischen wir die Warmwetterphase und die Container mit den Schlitten stehen durch den Regen knöcheltief im Schlamm (siehe Bild). Die freundlichen Volunteers, die immer entweder auf den Namen Kim oder Won (sogar die Währung heisst Won) hören, sprechen kein Englisch und nicken aus Höflichkeit bei jeder Anfrage, weshalb es Interpretationssache bleibt, ob dies jetzt Zustimmung oder Ablehnung bedeutet. Glücklicherweise hatten wir unseren eigenen Kim dabei. Eigentlich heisst er Meier, kommt aus dem Prättigau und war als Ersatz für den verletzten Simon Friedli dabei, aber schliesslich ist Meier in der Schweiz mindestens so häufig wie Kim in Korea. Ich frage mich, ob die Bomben aus dem Norden ebenso bedrohlich wären, kämen sie vom Meier Köbi statt von Kim Jong-Un. Das Säbelrasseln kann jedenfalls die Südkoreaner nicht beeindrucken. Unser Gesprächspartner meint zynisch, dass immer, wenn sie im Norden Hunger hätten, halt eine Rakete abgeschossen wird, damit der Süden wieder mehr Geld für den Hilfsfonds zur Verfügung stellt. Er vergleicht die Situation mit der in Deutschland vor der Wende, mit Nordkorea als im Untergang begriffene DDR. Südkorea hingegen erlebte nach dem Koreakrieg in den 50ern unter amerikanischer Ägide ein beispielloses Wirtschaftswunder und stellte seine stabile Demokratie just während unserem Aufenthalt unter Beweis, indem es seine Präsidentin wegen Korruptionsverdacht per Gerichtsentscheid ihres Amtes entband.
Unser bescheidenes Hotel beherbergt gleich den gesamten Bobweltcup und hätte auch noch locker Platz für alle Ski- und Snowboardteams der Welt. Wir wohnen in Apartments, die - mit eigener Küche ausgestattet - zum Kochen einladen würden. Dafür bräuchte es aber einen Koch und der lag wie oben erwähnt mit einer Zerrung flach. Immerhin der Geist des Simon F ist trotzdem in Korea anzutreffen, in Form einer Nespresso-Kaffeemaschine. Und wenn man nett an der richtigen Stelle der Wundermaschine reibt, dann lässt einem Dschinn Friedli einen Kaffee raus. Das fremde Alphabet verwandelt die Essensbestellung in „Lass dich überraschen“. Einen Buchstaben lernen wir aber allzu gut kennen. Eine Chilischote hinter dem Menu bedeutet sehr scharf, zwei Vorsicht Feuergefahr und bei drei löst sich die europäische Zunge auf. Einmal greife ich zur akuten Entschärfung hastig nach einer grünen Flasche, die im Kühlschrank des Lokals neben Cola und Sprite steht. Gierig setze ich das Wasser an, um kurz darauf festzustellen, dass es hochprozentiges Wasser ist, destillierter Reiswein (Shochu) um genau zu sein. Man merke: Brände bekämpft man nicht mit Sprit. Ich fühle mich wie Arthur Brown bzw. „ the God of hellfire“!
Rico hat die Bahn von Anfang an gut im Griff und probiert in Absprache mit dem Nationaltrainer Wolfgang Stampfer fleissig Linien aus, sogar solche, die nach der Kurve 9 keinen Eiskontakt erfordern. Die Bremser singen „I believe i can fly“, doch Maverick Peter landet die Büchse unbeeindruckt von den Turbulenzen mit ausgeklapptem Fahrwerk stilsicher in der Kurve 12. Geschüttelt und nicht gerührt kommen wir im Ziel an, doch was für James Bond gut ist, kann für uns auch nicht schlecht sein. Die Saison war lang, sehr lang, doch sammeln wir unsere letzten Kräfte für die Dernière im Weltcup Im Zweierrennen gelingt uns eine grosse Überraschung, allerdings in die falsche Richtung. Trotz optisch nicht schlechter Fahrt, verpassen wir gar den zweiten Lauf. Dass wir solche Rückschläge wegstecken können, zeichnete uns bereits während der gesamten Saison aus und zeugt vom grossen Teamgeist. Prompt schlagen wir im Vierer zu und werden ausgezeichnete Zweite. Zwar verpassen wir denkbar knapp den Sieg im Gesamtweltcup, doch weichen wir erfolgreich dem dunklen Fluch aus, der besagt, dass nie Olympiasieger wird, wer den letzten Weltcup auf der Olympiabahn gewinnt.
Es wartet viel Arbeit auf uns im Sommer. Die Saison hat gezeigt, dass viele Teams vorne mitmischen können und die Dichte an guten Startzeiten unglaublich hoch ist. Sie hat aber ebenfalls gezeigt, dass wir, wenn alles zusammenpasst, durchaus ein Wörtchen um die Medaillen mitreden können. Wir nehmen die Herausforderung an und werden mit Leidenschaft, Freude und viel Schweiss für unser grosses Ziel kämpfen. Wir möchten uns an dieser Stelle bei allen bedanken, die uns auf unserem Weg zu den Olympischen Spielen unterstützen oder noch unterstützen werden! Go Bobteam Peter!
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